Freitag, 26. Oktober 2012

thomas bernhard über heidegger

 ich hatte allerdings für EIGENE Texte plädiert. In diesem Fall konnte ich mich aber nicht zurückhalten.

Christian

Entnommen aus: "Alte Meister - Komödie"

(suhrkamp taschenbuch 1553, Suhrkamp-Verlag Frankfurt a.M. 1985)

(Der im Text zitierte Reger ist eine Kunstfigur in der Komödie)

"Tatsächlich erinnert mich Stifter immer wieder an Heidegger, an diesen lächerlichen nationalsozialistischen Pumphosenspießer. Hat Stifter die hohe Literatur auf die unverschämteste Weise total verkitscht, so hat Heidegger, der Schwarzwaldphilosoph Heidegger, die Philosophie verkitscht, Heidegger und Stifter haben jeder für sich, auf seine Weise, die Philosophie und die Literatur heillos verkitscht. Heidegger, dem die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen nachgelaufen sind und den sie mit widerwärtigen und stupiden Doktorarbeiten überhäuft haben schon zu Lebzeiten, sehe ich immer auf seiner Schwarzwaldhausbank sitzen neben seiner Frau, die ihm in ihrem perversen Strickenthusiasmus ununterbrochen Winterstrümpfe strickt mit der von ihr selbst von den eigenen Heideggerschafen heruntergeschorenen Wolle. Heidegger kann ich nicht anders sehen, als auf der Hausbank seines Schwarzwaldhauses, neben sich seine Frau, die ihn zeitlebens total beherrscht und die ihm alle Strümpfe gestrickt und alle Hauben gehäkelt hat und die ihm das Brot gebacken und das Bettzeug gewebt und die ihm selbst seine Sandalen geschustert hat. Heidegger war ein Kitschkopf, sagte Reger, genauso wie Stifter, aber doch noch viel lächerlicher als Stifter, der ja tatsächlich eine tragische Erscheinung gewesen ist zum Unterschied von Heidegger, der immer nur komisch gewesen ist, ebenso kleinbürgerlich wie Stifter, ebenso verheerend größenwahnsinnig, ein Voralpenschwachdenker, wie ich glaube, gerade recht für den deutschen Philosophieeintopf. Den Heidegger haben sie alle mit Heißhunger ausgelöffelt jahrzehntelang, wie keinen anderen und sich den deutschen Germanisten- und Philosophenmagen damit vollgeschlagen. Heidegger hatte ein gewöhnliches, kein Geistesgesicht, sagte Reger, war durch und durch ein ungeistiger Mensch, bar jeder Phantasie, bar jeder Sensibilität, ein urdeutscher Philosophiewiederkäuer, eine unablässig trächtige Philosophiekuh, sagte Reger, die auf der deutschen Philosophie geweidet und darauf Jahrzehntelang ihre koketten Fladen fallen gelassen hat im Schwarzwald. Heidegger war sozusagen ein philosophischer Heiratsschwindler, sagte Reger, dem es gelungen ist, eine ganze Generation von deutschen Geisteswissenschaftlern auf den Kopf zu stellen. Heidegger ist eine abstoßende Episode der deutschen Philosophiegeschichte, sagte Reger gestern, an der alle Wissenschaftsdeutschen beteiligt waren und noch beteiligt sind. Heute ist Heidegger noch immer nicht ganz durchschaut, die Heideggerkuh ist zwar abgemagert, die Heideggermilch wird aber noch immer gemolken. Heidegger in seiner verfilzten Pumphose vor dem verlogenen Blockhaus in Todtnauberg ist mir ja nurmehr noch als Entlarvungsfoto übrig geblieben, der Denkspießer mit der schwarzen Schwarzwaldhaube auf dem Kopf, in welchem ja doch nur immer wieder der deutsche Schwachsinn aufgekocht worden ist, so Reger. Wenn wir alt sind, haben wir ja schon sehr viele mörderische Moden mitgemacht, alle diese mörderischen Kunstmoden und Philosophiemoden und Gebrauchsartikelmoden. Heidegger ist ein gutes Beispiel dafür, wie von einer Philosophiemode, die einmal ganz Deutschland erfaßt gehabt hat, nichts übrigbleibt, als eine Anzahl lächerlicher Fotos und eine Anzahl noch viel lächerlicherer Schriften. Heidegger war ein philosophischer Marktschreier, der nur Gestohlenes auf den Markt getragen hat, alles von Heidegger ist aus zweiter Hand, er war und ist der Prototyp des Nachdenkers, dem zum Selbstdenken alles, aber auch wirklich alles gefehlt hat. Heideggers Methode bestand darin, fremde große Gedanken mit der größten Skrupellosigkeit zu eigenen kleinen Gedanken zu machen, so ist es doch. Heidegger hat alles Große so verkleinert, daß es deutscbmäglich geworden ist, verstehen Sie, deutschmöglich, sagte Reger. Heidegger ist der Kleinbürger der deutschen Philosophie, der der deutschen Philosophie seine kitschige Schlafhaube aufgesetzt hat, die kitschige schwarze Schlafhaube, die Heidegger ja immer getragen hat, bei jeder Gelegenheit. Heidegger ist der Pantoffel- und Schlafhaubenphilosoph der Deutschen, nichts weiter. Ich weiß nicht, sagte Reger gestern, immer wenn ich an Stifter denke, denke ich auch an Heidegger und umgekehrt. Es ist doch kein Zufall, sagte Reger, daß Heidegger ebenso wie Stifter vor allem immer bei den verkrampften Weibern beliebt gewesen ist und noch heute beliebt ist, wie die betulichen Nonnen und die betulichen Krankenschwestern den Stifter sozusagen als Lieblingsspeise essen, essen sie auch den Heidegger. Heidegger ist noch heute der Lieblingsphilosoph der deutschen Frauenwelt. Der Frauenpbilosoph ist Heidegger, der für den deutschen Philosophieappetit besonders gut geeignete Mittagstischphilosoph direkt aus der Gelehrtenpfanne.

Wenn Sie in eine kleinbürgerliche oder aber auch in eine aristokratisch-kleinbürgerliche Gesellschaft kommen, wird Ihnen sehr oft schon vor der Vorspeise Heidegger serviert, Sie haben Ihren Mantel noch nicht ausgezogen, wird Ihnen schon ein Stück Heidegger angeboten, Sie haben sich noch nicht hingesetzt, hat die Hausfrau Ihnen schon sozusagen mit dem Sherry Heidegger auf dem Silbertablett hereingebracht. Heidegger ist eine immer gut zubereitete deutsche Philosophie, die überall und jederzeit serviert werden kann, sagte Reger, in jedem Haushalt. Ich kenne keinen degradierteren Philosophen heute, sagte Reger. Für die Philosophie ist Heidegger ja auch erledigt, wo er noch vor zehn Jahren der große Denker gewesen ist, spukt er jetzt nurmehr noch sozusagen in den pseudointellektuellen Haushalten und auf den pseudointellektuellen Gesellschaften herum und gibt ihnen zu ihrer ganzen natürlichen Verlogenheit, noch eine künstliche. Wie Stifter, ist auch Heidegger ein geschmackloser, aber ohne Schwierigkeiten verdaulicher Lesepudding für die deutsche Durchschnittsseele. Mit Geist hat Heidegger ebenso wenig zu tun, wie Stifter mit Dichtung, glauben Sie mir, diese beiden sind, was Philosophie und was Dichtung betrifft, soviel wie nichts wert, wobei ich aber doch Stifter höher ein,schätze als Heidegger, der mich ja immer abgestoßen hat, denn alles an Heidegger ist mir immer widerwärtig gewesen, nicht nur die Schlafhaube auf dem Kopf und die selbstgewebte Winterunterhose über seinem von ihm selbst eingeheizten Ofen in Todtnauberg, nicht nur sein selbstgeschnitzter Schwarzwaldstock, eben seine selbstgeschnitzte Schwarzwaldphilosophie, alles an diesem tragikomischen Mann war mir immer widerwärtig gewesen, stieß mich immer zutiefst ab, wenn ich nur daran dachte; ich brauchte nur eine Zeile von Heidegger zu kennen, um abgestoßen zu sein und erst beim Heideggerlesen, sagte Reger; Heidegger habe ich immer als Scharlatan empfunden, der alles um sich herum nur ausgenützt und sich in diesem seinem Ausnützen auf seiner Todtnaubergbank gesonnt hat. Wenn ich denke, daß selbst übergescheite Leute auf Heidegger hereingefallen sind und daß selbst eine meiner besten Freundinnen eine Dissertation über Heidegger gemacht hat, und diese Dissertation auch noch im Ernst gemacht hat, wird mir heute noch übel, sagte Reger. Dieses nichts ist ohne Grund, ist das Lächerlichste, so Reger. Aber den Deutschen imponiert das Gehabe, sagte Reger, ein Gehabeinteresse haben die Deutschen, das ist eine ihrer hervorstechendsten Eigenschaften. Und was die Österreicher betrifft, so sind sie in allen diesen Punkten noch viel schlimmer. Ich habe eine Reihe von Fotografien gesehen, die eine zuhöchst talentierte Fotografin von Heidegger, der immer ausgesehen hat wie ein pensionierter feister Stabsoffizier, gemacht hat, sagte Reger, und die ich Ihnen einmal zeigen werde; auf diesen Fotografien steigt Heidegger aus seinem Bett, steigt Heidegger in sein Bett wieder hinein, schläft Heidegger, wacht er auf, zieht er seine Unterhose an, schlüpft er in seine Strümpfe, macht er einen Schluck Most, tritt er aus seinem Blockhaus hinaus und schaut auf den Horizont, schnitzt er seinen Stock, setzt er seine Haube auf, nimmt er seine Haube vom Kopf, hält er seine Haube in den Händen, spreizt er die Beine, hebt er den Kopf, senkt er den Kopf, legt er seine rechte Hand in die linke seiner Frau, legt seine Frau ihre linke Hand in seine rechte, geht er vor dem Haus, geht er hinter dem Haus, geht er auf sein Haus zu, geht er von seinem Haus weg, liest er, ißt er, löffelt er Suppe, schneidet er sich ein Stück (selbstgebackenes) Brot ab, schlägt er ein (selbstgeschriebenes) Buch auf, macht er ein (selbstgeschriebenes) Buch zu, bückt er sich, streckt er sich und so weiter, sagte Reger. Es ist zum Kotzen. Sind die Wagnerianer schon nicht zum Aushalten, erst die Heideggerianer, sagte Reger. Aber natürlich ist Heidegger nicht mit Wagner zu vergleichen, der ja tatsächlich ein Genie gewesen ist, auf den der Begriff Genie tatsächlich zutrifft wie auf keinen andern, während Heidegger doch nur ein kleiner philosophischer Hintermann gewesen ist. Heidegger war, das ist klar, der verhätscheltste deutsche Philosoph in diesem Jahrhundert, gleichzeitig ihr unbedeutendster. Zu Heidegger pilgerten vor allem jene, die die Philosophie mit der Kochkunst verwechseln, die die Philosophie für ein Gebratenes und Gebackenes und Gekochtes halten, was ganz und gar dem deutschen Geschmack entspricht. Heidegger hielt in Todtnauberg Hof und ließ sich auf seinem philosophischen Schwarzwaldpodest jederzeit wie eine heilige Kuh bestaunen. Selbst ein berühmter und gefürchteter norddeutscher Zeitschriftenherausgeber kniete andachtsvoll vor ihm mit offenem Mund, als erwartete er in der untergehenden Sonne von dem auf seiner Hausbank sitzenden Heidegger sozusagen die Geisteshostie. Alle diese Leute pilgerten nach Todtnauberg zu Heidegger und machten sich lächerlich, sagte Reger. Sie pilgerten sozusagen in den philosophischen Schwarzwald und auf den heiligen Heideggerberg und knieten sich vor ihr Idol. Daß ihr Idol eine totale Geistesniete war, konnten sie in ihrem Stumpfsinn nicht wissen. Sie ahnten es nicht einmal, sagte Reger. Die Heideggerepisode ist aber doch als Beispiel für den Philosophenkult der Deutschen aufschlußreich. Sie klammern sich immer nur an die falschen, sagte Reger, an die ihnen entsprechenden, an die stupiden und dublosen."

Sonntag, 21. Oktober 2012

David Gelernter in der FAZ, 19.10.2012

Ich habe einen Artikel in der FAZ entdeckt, von David Gelernter, einem der "Erfinder" des Internets. Keine "hohe Philosophie", sicher auch kein Kommentar zu Heidegger. Aber ein schöne Verbildlichung des Ichs (als Blackbox mit gewissermaßen verspiegelten Fenstern).

https://static.twoday.net/philorix/files/Gelernter.pdf

Im Prinzip geht es schon auch um den Modus des In-der-Welt-Seins.

Ein Zitat:

»Ich glaube an das subjektive Ich. Das subjektive Ich ist gewissermaßen ein Strahl in der
Raumzeit, der bei der Geburt beginnt und mit dem Tod endet, der sich so lange
ausdehnt, wie man ununterbrochen durch die Zeit fällt, bis man am Ende stirbt. Das Ich
befindet sich im Innern dieses Strahls, es existiert nur, weil es diesen Innenraum gibt -
wie der Raum einer hohlen Kugel, der nur existiert, weil die Kugel existiert. Man kommt
nie heraus, und andere kommen nie hinein. Daher die oft beschriebene existentielle
Einsamkeit des Menschen. Die meisten Menschen sprechen nie und können vielleicht
auch nie über das sprechen, was für sie am wichtigsten ist. Diese Dinge, Fakten und
Gedanken verlassen nie das große Schweigen des Ich.«

Viel Spaß beim Lesen,

Denis


--

Um noch deutlicher zu machen, was hier meiner Ansicht nach gemeint ist, nehme man einen späteren Satz hinzu: "Ehre und schütze den fragilen kristallinen
Bewußtseinsstrahl, den die Seele ex nihilo erschafft."

Alle Gedanken und Bilder Gelernters vom Ich sprechen für ein klassisches subjektives Bewußtsein, das "in Gott" sein mag, aber jedenfalls nicht
"von dieser Welt".

Und damit vermutlich nicht für In-der-Welt-Sein im Sinne H's.

Das Wer des Daseins, das als In-der-Welt-Sein existiert (keineswegs in einer "eigenen Kugel=Sphäre") ist zunächst gerade nicht das
Bewußtsein, sondern das "von der Welt benommene" "Man".

Dem gegenüber ist das subjektive Bewußtsein "abkünftig" oder sekundär.

Das "Ganzsein" des Daseins, also das Dasein als "ideales" oder so, wie es - konventionell gesprochen - "sein soll",
ist jedenfalls nicht auf der Seite der Autonomie.

Auch nicht auf Seiten eines Subjekts, das seine einsamen mit niemandem geteilten Worte
am Ende
in Abrahams Schoß retten kann.

Sondern auf der des Nichts oder der Nichtigkeit.
Des puren DASS des Existierens.

Das eben genausogut nicht sein könnte.


Christian

Donnerstag, 18. Oktober 2012

...

also liebe leute vom heideggerkurs, das klappt. mit username und passwort wie in der email angegeben mkommt ihr hier rein und könnt unter CONTRIBUTE beiträg e machen. ihr braucht keinen eigenen anmeldung.

wär aber schön, ihr würdet mit namen unterschreiben

gruß christian h.

Donnerstag, 11. Oktober 2012

kellner sein oder spielen? zu unserer debatte im kurs das sartrezitat

Betrachten wir diesen Kaffeehauskellner. Er hat rasche und sichere Bewegungen, ein wenig allzu bestimmte und ein wenig allzu schnelle, er kommt ein wenig zu rasch auf die Gäste zu, er verbeugt sich mit ein wenig zuviel Beflissenheit, seine Stimme und seine Blicke drücken eine Interessiertheit aus, die ein wenig zu sehr von Besorgnis um die Bestellung des Kunden in Anspruch genommen ist; dort kommt er zurück und versucht durch seine Art, zu gehen, die unbeugsame Härte irgendeines Automaten nachzumachen, während er gleichzeitig sein Tablett mit einer Art Seiltänzerkühnheit trägt, wobei er es in einem fortwährend labilen und fortwährend gestörten Gleichgewicht hält, das er mit einer leichten Bewegung des Armes oder der Hand fortwährend wiederherstellt. Seine ganze Verhaltensweise sieht wie ein Spiel aus. Er läßt es sich angelegen sein, seine Bewegungen aneinanderzureihen, als wären sie Mechanismen, die sich gegenseitig antreiben, auch sein Gesichtsausdruck und seine Stimme wirken mechanisch; er legt sich die erbarmungslose Behendigkeit und Schnelligkeit einer Sache bei. Er spielt, er unterhält sich dabei. Aber wem spielt er etwas vor? Man braucht ihn nicht lange zu beobachten, um sich darüber klar zu werden: er spielt, Kaffeehauskellner zu sein. Darin liegt nichts Überraschendes: das Spiel ist eine Weise des Sichzurechtfindens und des Nachforschens. Das Kind spielt mit seinem Körper, um ihn zu erforschen, um eine Bestandsaufnahme zu machen; der Kaffeehauskellner spielt mit seiner Stellung, um sie real zu setzen .
Jean Paul Sartre, "Das Sein und das Nichts"

Sonntag, 30. September 2012

Kommentare und Links zu unserem Kurs "Sein und "Zeit"

Donnerstag, 4. November 2010

Gestern

Liebe Menschen der Philosophie,
ich möchte nochmal an das Gestrige anknüpfen, besonders an die Aussage von Wolfgang bezogen auf unseren eingeschränkten Intellekt des Menschen, dass wir die Prozesse nicht wahrnehmen wie sie sich in Vorgängen "entblättert " jener sinnlichen Eigenschaften vor unseren Augen abspielen, sondern wir Obergegriffe verwenden, Dinge vereinfachen, in erster Linie, nach dem Bienenwachsbeispiel.
Hierzu würde ich gerne das Beispiel anführen, dass autistischen Menschen der Wissenschaft nach ja eine Wahrnehmungsstörung haben und das gerade diese Menschen ja eher die Prozesse in der Welt wahrnehmen und einzelne Dinge herauspicken, Details, und nicht ausmachen, welche ganzen sinnlichen Eigenschaften einen Gegenstand beschreiben könnten um es zu erfassen. Man spricht von Chaos im Kopf. Somit würde ich sagen, sind ja gewisse Selektionsfunktionen nicht genug oder weitestgehend ausgeprägt, was ihnen das leben erschwert. Wir hingegen, die die Selektionsfunktion im Gehirn für Informationsfilterung voll ausgeprägt haben oder einfach sich unterscheidet, können Dinge, Vorgänge erfassen, zusammenfassen. Da stellt sich dann erstmal die Frage, wie es um den menschlichen Intellekt bestellt ist, wer ist denn nun fähiger Abläufe so sehen oder erfahren zu können wie es Descartes es nach dem Bienenwachsbeispiel verdeutlichen wollte? Da kommt natürlich noch die Reflektionsfähigkeit und das Bewusstsein mit hinzu, was nicht unwichtig ist. Aber das würde jetzt den Rahmen sprengen. Ich wollte lediglich die Unterschiedlichkeit der sinnlichen Erfahrung haben, vertiefen.

Das hat mich gestern beschäftigt und kam leider nicht mehr zum Zuge dies mitzuteilen.


Und was mich auch sehr zum Nachdenken anregte, weswegen ich auch diesen Vergleich oben beschrieben habe, das die Dinge ohne sinnliche Eigenschaften so sind wie sie sind, auch mit Veränderungen die nicht gleich sichtbar sind, aber dass sozusagen wir die Interpreten mit unseren Sinnen sind und es quasi einen Austausch gibt, wir sind Auge, die die Beschreiben, Sehen, Wahrnehmen, wir geben Bezeichnungen, besondere Qualitäten etc.
Ich hoffe ihr könnt nachvollziehen was ich meine!

Ende gedanklicher Exkurs

LG Christin

Sonntag, 31. Oktober 2010

Descartes

Samstag, 30. Oktober 2010

Beitrag von Matze zur 4. Sitzung

bei unserem Gespräch nach der Sitzung habe ich mein Unbehagen geäußert. immer wieder bleibt bisher eher unklar, wie denn Decartes eingeordnet werden kann in SEINE historischen Zusammenhänge. wir machen eher "historiefreie" Gedanken-Geschichte - oder jedenfalls erscheint es mir so.

Ich fand den aufsatz zu Decartes erhellend.
Er zeigt den Philosophen als einen relativ unabhängigen Einzel-Menschen-Mann. Er hat eine materielle Basis als sicher, von der erlebt. er ist also relativ frei von "schnödem Gelderwerb". Er hat gar keinen Beruf, ist sozusagen "modern freier Intellektueller".

Seine Grundschulubng ist katholisch - aber eine, die "Vernunft" in die Religion zu integrieren beansprucht; er wurde von Jesuiten geschult.

Er befindet sich historisch in den Religionskriegen. Katholiken/Protestanten. Er selber scheint sich als jesuitischer Kathole zu begreifen, geht aber nach Holland und nicht nach Italien oder Spanien. Also ins "protestantische Ausland"!!!

Wenn für Decartes als einzige Gewissheit er selber als ringend-zweifelnd-denkender Einzelmensch DA IST, dann scheint mir dass zutiefst "evangelisch" UND bürgerlich zu sein.

Er lebt in einer Situation voller nicht nur Glaubens-Zweifel sondern blutiger Kriege um "DIE EINE Wahrheit".

Das religiös-katholische Weldbild ist immer mehr "eroiert" und die konkrete Kirche "korumpiert" (Ablaßhandel, ..., ... ). Das Bild, daß nur wenige oder sogar nur EIN "Begnadeter" (Priester/Pabst) die WAHRHEIT von allem, also die zusammenfassende Welt-BEDEUTUNG von jeder Erscheinung wissen kann durch Gnade und Offenbarung - ist zutiefst kriegerisch erschüttert.

Der ZWEIFEL war immer TEIL des Glaubens. Über den Zweifel kommt Mensch Stufe für Stufe zu immer mehr Glauben - sozusagen. Der Zweifel ist sozusagen das irdische Fegefeuer, daß den WAHREN GLAUBEN läutert oder läutern KANN. Das ist auch die "Funltion" der Inquisition. Sie ist das "Prüf-Instrument" für richtigern Glauben, die Trenn-Instanz zum Irrtum.

Dieser katholische Zweifel ist also - durchaus achtenswerte - Zwischenstufe FÜR ... den WAHREN Glauben.
Wenn Decartes nun aber vorschlägt, den Zweifel als das EINZIGE Fundament durch reine (und wohl immer vorläufige?) Erkenntnis aufzuheben, dann bestimmt er diesen ZWEIFEL als einzig "positiv" und nimmt ihn raus aus der katholisch legitimen Zwischenstellung.
DAS scheint mir der HAMMER zu sein.
Und das NEUE.
Und etwas, wohinter man nur schwer zurück-KANN.
Der alte katholisch behauptete GANZHEITs-Bedeutungs-Kosmos bricht auseinander. Real eben auch - als Religionskriege.


An DIESES Neue knüpfen nun wohl alle nach ihm Kommenden immer neu an - auch daran, wie weit "man" mit Rationalität kommen kann und "was man" dabei zu verfehlen "verführt" wird.

Der Hinweis von .... , was Holland zu dieser Zeit sei, war auch mir wichtig zu erinenrn: Holland beginnt einen Handels-Kolonialismus goßen Stils - anders als Spanien davor. daß "Land" erobert und ausbeutet und gegebenenfalls ganze Bevörkerungen dabei umbringt.
Holland "rechnet" = Handelskapitalismus. Rechnungs-Rationalität.


so etwa MEINE Gedanken zur gestrigen Sitzung.

Gruß vom Matze
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